Winterdepression

Nebel hängt wie Rauch ums Haus,

Drängt die Welt nach innen.

Ohne Not geht niemand aus,

Alles fällt in Sinnen.

Leiser wird die Hand, der Mund,

Stiller die Gebärde.

Heimlich, wie auf Meeresgrund

Träumen Mensch und Erde.

 

Christian Morgenstern: Novembertag

 

Nasskaltes, nebeliges Novemberwetter, trübe Tage, lange Nächte: Oft fällt es nun schwer, morgens aus dem Bett zu kommen. Morgens macht man sich in der Dämmerung auf den Weg zur Arbeit, verbringt den ganzen Tag im Büro, um abends bei Dunkelheit wieder nach Hause zu fahren. Viele Menschen fühlen sich im Herbst und Winter schlapp, energie- und antriebslos. Man möchte sich mit Tee und Schokolade vor den Fernseher setzen oder einfach dem wachsenden Schlafbedürfnis nachgeben. Düstere Gedanken und gedrückte Stimmung machen sich breit, vergehen aber meist auch wieder von selbst. Bei manchen Menschen halten sich solche Stimmungstiefs jedoch bis ins Frühjahr: Sie leiden an einer speziellen Form von Depression, der Herbst- bzw. Winterdepression.

Was sind Winterdepressionen und wer leidet darunter?

 

Es gibt zahlreiche Formen von Depressionsstörungen. Eine Art sind die so genannten Herbst- oder Winterdepressionen oder auch "Winter Blues". In der Fachsprache wird dieses Phänomen als „saisonal abhängige Depression“ (SAD, engl. „Seasonal affective Disorder“) oder Lichtmangel-Depression bezeichnet.
Obwohl Ärzte bereits in der Antike einen Zusammenhang zwischen Licht und Gemütslage festgestellt und Licht als Therapie empfohlen haben, sind Winterdepressionen erst seit etwa 20 Jahren als Krankheitsbild anerkannt und werden erst seither wissenschaftlich erforscht.

Etwa neun Prozent der Bevölkerung leiden an Winterdepressionen. Dabei sind dreimal mehr Frauen als Männer von dieser Krankheit betroffen.
Winterdepressionen treten bei den Betroffenen meist um das 30. Lebensjahr auf. Statistisch gesehen scheinen jahreszeitliche Stimmungsbelastungen nicht zuletzt Jüngere, insbesondere aber das mittlere Lebensalter zu beeinträchtigen. Im hohen Alter werden Winterdepressionen wiederum seltener.
Im Durchschnitt wird die Krankheit jedoch erst zehn Jahre nach dem ersten Auftreten als solche erkannt. Dies zeigt, dass auf Seite von Ärzten sowie Psychologen noch großer Aufklärungsbedarf besteht, zumal Winterdepressionen sehr gut behandelbar sind.


Je nachdem wie viele Stunden pro Tag es im Winter an einem Ort dunkel ist, lassen sich regionale Unterschiede feststellen. So sind Winterdepressionen in südlichen Ländern am Mittelmeer kaum bekannt und in Skandinavien häufiger als in Österreich.
Die genauen Ursachen oder biologischen Abläufe der Winterdepression sind noch nicht endgültig erforscht. Allerdings ist ein Zusammenhang zwischen Lichtmangel in der „dunklen Jahreszeit“ und depressiven Stimmungen inzwischen wissenschaftlich unbestritten.
Darüber, inwieweit aber mangelnde Bewegung im Herbst und Winter eine Rolle spielen und ob und wie Bewegung in die Therapie einbezogen werden sollte, ist man sich jedoch noch nicht einig. Auch genetische Einflüsse werden untersucht, sind aber noch nicht als wesentlicher Faktor identifiziert worden.

 

Was sind die Symptome der Winterdepression?

 

Die meisten Menschen kennen es von sich selbst, dass ihre Stimmungen vom täglichen Wetter oder den einzelnen Jahreszeiten abhängig sind. Daher muss man zunächst festlegen, ab wann tatsächlich von einer Herbst- oder Winterdepression gesprochen werden kann. Eine US-amerikanische Studie erbrachte, dass lediglich 7,6% der Befragten angaben, keinen saisonalen Schwankungen zu unterliegen. Die meisten der verbliebenen 92% haben zum Glück jedoch keine echten Depressionen, denn der Schweregrad der Stimmungsschwankungen ist entscheidend. Bei etwa 3% der Bevölkerung liegt eine „echte“ saisonal abhängige Depression vor, die die Kriterien einer depressiven Episode erfüllt, jedoch in einem klaren saisonalen Muster wiederkehrt. Bei der Mehrheit der Betroffenen ist die Ausprägung geringer, aber dennoch eindeutig vorhanden. Dabei spricht man dann von „Subsyndromaler saisonal abhängiger Depression“, d. h. die Kriterien für die Diagnose einer „normalen“ Depression sind nicht erfüllt.

Hauptkriterien für die Diagnose einer Depression sind:

  • Depressive, gedrückte Stimmung an (fast) allen Tagen
  • Stark verringertes Interesse an fast allen Aktivitäten und keine Freude daran
  • Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust
  • Schlafstörungen
  • Schuldgefühle und Gedanken über die eigene Wertlosigkeit

 

Zur Diagnose von Winterdepressionen muss der Beginn des Stimmungstiefs im Herbst/Winter liegen und die Symptome müssen im Frühjahr/Sommer vollständig wieder verschwunden sein.

Typisch für Winterdepressionen sind zudem so genannte „atypische“ depressive Symptome:

  • Vermehrtes Schlafbedürfnis (im Gegensatz zu verringertem Nachtschlaf bei „normalen“ Depressionen)
  • Gesteigerter Appetit, insbesondere auf Kohlehydrate wie Nudeln, Süßigkeiten und Cerealien


Hinzu kommen außerdem noch

  • verringerter Antrieb
  • Tagesmüdigkeit
  • Sozialer Rückzug
  • Geringere Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz


Für die meisten Betroffenen sind November und Dezember die schwierigste Zeit.
Trotz dieser Symptome fühlen sich die Betroffenen der leichteren Variante, der Subsyndromalen Winterdepressionen, nicht krank und suchen sich in der Regel nie oder erst nach Jahren Hilfe.



10 Tipps zur Vorbeugung und Linderung trüber Stimmung in Herbst und Winter

 

  1. Gehen Sie nach draußen und ans Licht - egal bei welchem Wetter! Wenn Sie arbeiten, verbinden Sie Ihre Mittagspause mit einem Spaziergang, gehen Sie am besten zu Fuß zum einkaufen tagsüber etc. Gehen Sie am Wochenende gezielt nach draußen.
    Urlaub an der Sonne: vielleicht können Sie es sogar einrichten, zur trüben Jahreszeit in die Sonne zu verreisen. Oder man entflieht am Wochenende dem berüchtigten Hochnebel durch einen Ausflug ins Mittelgebirge oder vergleichbaren Regionen ohne Nebel.
  2. Bewegen Sie sich! Dies kann Sport nach der Arbeit oder am Wochenende sein, aber auch der Alltag bietet viele Möglichkeiten: Gehen Sie auf dem Weg in die Arbeit zumindest ein Stück zu Fuß, lassen Sie das Auto für kürzere Besorgungsfahrten einfach stehen, steigen Sie Treppen anstatt den Lift zu benutzen etc.
  3. Lächeln Sie schlechte Stimmung weg: Allein das Hochziehen der Mundwinkel verbessert laut Forschungserkenntnissen die Laune. Besuchen Sie Kabarett, Improvisationstheater oder Veranstaltungen mit Humor – das füllt die Launereserven auf.
  4. Holen Sie sich Freude über farbenfrohe Dinge in Ihre Wohnung: ein Blumenstrauß, eine Tischdecke oder Vorhänge in Sommerfarben, bunte Kissenbezüge oder farbenfrohe Bilder wirken positiv auf Ihre Stimmung.
  5. Legen Sie Ihre Lieblingsmusik auf, tanzen Sie dazu und singen Sie mit. Singen trägt erwiesenermaßen zur Besserung der Stimmung bei.
  6. Blockaden lösen durch Stretching. Wer sich unkonzentriert und schlapp fühlt, sollte seine Glieder recken und strecken. Laut Gähnen und mit Druck die Wangen mit beiden Händen nach unten streichen entspannt zusätzlich.
  7. Holen Sie sich mit dem Duft einer Aromalampe die Erinnerung an den Sommer in die Wohnung. Es gibt eine große Auswahl an Düften mit den unterschiedlichsten Wirkungen: Zitrone erfrischt, Orange verbessert die Laune, Geranium muntert auf, Lavendel beruhigt die Nerven, Rosmarin regt den Kreislauf an und Vanille dämpft Hungergefühle.
  8. Gönnen Sie sich Entspannung und verwöhnen Sie sich: Nehmen Sie ein Bad, lassen Sie sich massieren oder machen Sie einen Termin bei der Kosmetikerin.
  9. Schokolade macht glücklich …  In der Tat hebt Schokolade aufgrund seiner Inhaltsstoffe Zucker, Kakaobutter und Koffein die Stimmung, mehr als andere Süßigkeiten, die nur Zucker enthalten. Allerdings sinkt mit dem folgenden Absinken des Blutzuckerspiegels auch wieder die Stimmung, genießen Sie also lieber nur wenig davon!
  10. Nehmen Sie sich mal wieder Zeit für Dinge, zu denen man im Sommer gar nicht kommt. Ist es draußen grau, ist Gelegenheit für eine angenehme Lektüre, einen schönen Film oder mit Freunden einen Spieleabend zu veranstalten.