Das Innere Kind

Das „Innere Kind“ gehört zu einer modellhaften Betrachtungsweise innerer Erlebniswelten, die durch Bücher von John Bradshaw und Erika Chopich/ Margaret Paul bekannt wurden. Es bezeichnet und symbolisiert die im Gehirn gespeicherten Gefühle, Erinnerungen und Erfahrungen aus der eigenen Kindheit. Hierzu gehört das ganze Spektrum intensiver Gefühle, wie unbändige Freude, abgrundtiefer Schmerz, Glück und Traurigkeit, Intuition und Neugierde, Gefühle von Verlassenheit, Angst oder Wut. Das Innere Kind umfasst alles innerhalb des Bereiches von Sein, Fühlen und Erleben, welches speziellen Gehirnarealen zugeordnet wird. Die Arbeit mit dem inneren Kind funktioniert nach dem Prinzip der beabsichtigten, bewussten, therapeutischen Ich-Spaltung zwischen dem beobachtenden, reflektierenden inneren Erwachsenen Ich und dem erlebenden inneren Kind.


In der modellhaften Vorstellung eines inneren Kindes, die in der psychotherapeutischen Arbeit eingesetzt wird, „übersetzen“ die genannten Autoren tiefenpsychologische und psychoanalytische theoretische Annahmen in eine für den interessierten Laien verständliche Sprache. Solche vereinfachte, zum Teil populärwissenschaftliche Darstellung beabsichtigt nicht, die komplexe und konfliktorientierte Differenziertheit psychodynamischer Theorien darzustellen. Sie bietet jedoch eine verständliche, nachvollziehbare und handhabbare Beschreibung innerer Prozesse, welche dem Leser ermöglicht, tiefenpsychologische Erkenntnisse in gewissem Maße für sich selbst zu nutzen.


Unabhängig voneinander und aufeinander aufbauend haben sich seit den 1990er Jahren verschiedene Ansätze der „Inneren-Kind-Arbeit“ entwickelt und in unterschiedlichen therapeutischen Verfahren manifestiert. Die Vorstellung des „Inneren Kindes“ wird je nach Therapieform mit unterschiedlichen anderen inneren Elementen verbunden, wie beispielsweise: „Innerer Erwachsener“, „Innerer Regisseur“, „Hilfreiche Wesen“, „guter, sicherer Ort“. Gemeinsames Ziel dieser Ansätze ist es, seelische Wunden aus der Vergangenheit und Gegenwart zu heilen, falsche oder dysfunktionale Glaubensmuster/Lebensmuster zu erkennen, Probleme selbstverantwortlich und selbstkompetent zu lösen sowie liebevollen Umgang mit sich selbst und anderen zu bewirken.

Grundannahmen:
Die Grundannahme in der Arbeit mit dem Inneren Kind spiegelt sich in einem in diesem Zusammenhang häufig zitierten Satz: „Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit“, der sowohl Erich Kästner als auch Milton Erickson zugesprochen wird. Es wird angestrebt, auf der einen Seite positives Erleben aus der Kindheit ins Bewusstsein zu heben und damit als Ressource nutzbar zu machen und auf der anderen Seite im „Hier und Jetzt“ die emotionale Zuwendung, die in der Kindheit gefehlt hatte, sich selbst eigenständig zu geben und psychische Verletzungen aus der Kindheit zu heilen.


Es wird angenommen, dass sowohl positive wie auch negative frühkindliche Erfahrungen im Gehirn gespeichert sind und unter bestimmten Bedingungen dem Bewusstsein zugänglich und damit wieder erlebbar werden. Danach können positive Erfahrungen, wie kindliche Neugier, Begeisterungsfähigkeit, Staunen, Lebendigkeit, Spontaneität oder die Fähigkeit, ganz in der Gegenwart zu sein oder auch negative Erfahrungen, wie die kindliche Verwundbarkeit und kindliche Ängste vor Verletzungen und Zurückweisung, erlebbar werden. Es wird angenommen, dass die Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung und danach bedingungslos angenommen zu werden, Ausdruck frühkindlicher Grundbedürfnisse sind.

Zielvorstellung der therapeutischen Arbeit:
Das Ziel einer Therapie ist, eine liebevolle innere Verbindung zwischen dem Inneren Kind und dem liebevollen Erwachsenen herzustellen um (wieder) Zugang zu tiefen Quellen der Freude, Wahrnehmung und Intuition zu erlangen.
Es ist nötig, dass der innere Erwachsene sich dafür entscheidet, das Kind anzunehmen und sich mit seiner „inneren Wahrheit“ zu verbinden. Sie ist für den Erwachsenen eine Orientierung dabei, die falschen Glaubensmuster zu beseitigen und bessere Glaubenssätze zu finden, nach denen er leben möchte. Wenn das Innere Kind angenommen wird, können solche guten Glaubenssätze heißen:

  • Ich bin selbst verantwortlich für mein Glück.
  • Ich bin bereit, meine Gefühle wahrzunehmen und anzunehmen.
  • Ich bin offen für Neues und Veränderungen in meinem Leben.
  • Ich bin stark genug, für mich selbst zu sorgen und für mein Wohlgefühl die Verantwortung zu übernehmen.
  • Ich darf neugierig sein und verspielt, albern und spontan, lebendig und sensibel.

Mit der Übernahme der Selbstverantwortung wird der Mensch mehr und mehr unabhängig von der Meinung und dem Wohlwollen anderer, was nicht bedeutet, dass er sich über Zuwendung anderer nicht mehr freut. Jedoch erkennt er, dass er weder körperlich noch seelisch umkommt, wenn eine Lebenssituation es nötig macht, dass er für sein Wohlergehen selbst sorgen muss.

Idealvorstellung der inneren Verbindung:
Steht der Mensch mit seinem Inneren Kind in einer liebevollen Verbindung, erlebt er das ganze Leben anders: Er fühlt sich liebevoll mit den Menschen und mit der gesamten Natur verbunden, weil er mit sich selbst verbunden ist. Diese innere Verbindung ist eine große Kraftquelle und stellt eine Ressource dar.

Kontraindikation:
Die Arbeit mit dem Inneren Kind ist eine Form der aufdeckenden Therapie. Sie setzt eine gewisse Stabilität des Patienten zur Bearbeitung voraus und sollte nur mit Begleitung durch einen ausgebildeten Psychotherapeuten im geschützten therapeutischen Rahmen durchgeführt werden.

Effektivität:
Die therapeutische Arbeit mit dem Inneren-Kind-Ansatz hat sich als sehr effektiv erwiesen. Wenn sich Patienten mit dieser Arbeit vertraut machen können, führt dies zu einem erheblichen Zuwachs an Selbstberuhigungskompetenz.
Es fällt auf, wie schnell sich Menschen verändern, wenn sie mit dem inneren Kind arbeiten. Diese Veränderung ist sehr tief greifend und setzt ein hohes Maß an Kraft und Kreativität frei, wenn die Wunden der Vergangenheit geheilt sind.
Kosten:


Büchertipps:
Zitate aus “Das Kind in uns: Wie finde ich zu mir selbst” von John Bradshaw:
 Jedes Kind braucht vorbehaltlose Liebe - zumindest zu Anfang. Das Kind  muss sich in den Augen eines wohlwollenden Erwachsenen spiegeln können,  sonst hat es keine Möglichkeit zu erfahren, wer es ist.

Das undisziplinierte Kind trödelt, faulenzt, lehnt es ab, Triebaufschub zu leisten, ist rebellisch, eigensinnig, dickköpfig und handelt impulsiv, ohne nachzudenken.

Das überdisziplinierte Kind ist unbeweglich, zwanghaft, übermäßig gesteuert, gehorsam, gefällig und wird von Scham und Schuldgefühlen zerfressen.

Kinder denken egozentrisch, was dadurch zum Ausdruck kommt, dass sie alles personalisieren. Wenn Papa/Mama keine Zeit für mich hat, bedeutet das, dass mit mir etwas nicht stimmt.

Kinder wissen intuitiv, dass Menschen mit demjenigen ihre Zeit verbringen, den sie lieben. Eltern beschämen ihre Kinder, indem sie ihnen nicht genügend Zeit widmen.

"Ein Junge braucht den Vater. Um sich selbst als Mann lieben zu können, braucht er die Liebe eines Mannes. Er muss eine Bindung an einen Mann haben."

Mit dreizehn Jahren weckt die Pubertät den Lebensfunken auf eine neue Weise. Während sich die biologischen Veränderungen der Geschlechtsreife vollziehen, entfaltet sich eine neue seelische Struktur. Wir fangen an, unsere Identität zu bilden und werden langsam “flügge”.  Dazu müssen wir die Ansichten, die unsere Eltern von uns haben, in provokanter Weise in Frage stellen.

In der Pubertät beginnt der Prozess, in dessen Verlauf wir entscheiden, wer wir unserer Meinung nach sind. Um wir selbst sein  zu können, müssen wir uns allmählich von unseren Eltern trennen. Und um das zu schaffen, benötigen wir die ganze Ichstärke, die wir entwickelt haben.

Um eine gute Mutter oder ein guter Vater sein zu können, muss man seelisch gesund sein, seine Bedürfnisse aus eigener Kraft befriedigen können und einen Partner oder eine andere wichtige Person haben, die einem dabei hilft. Vor allem aber muss man vorher das verletzte Kind in sich geheilt haben. 

 

Wikipedia, angepasst von Mag. A. Ganahl